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Zeitungsbericht Solothurner Zeitung 19.04.2025

Drei Vereine, ein Stück Text: Gundi Klemm Fotos: José R. Martinez

In Deitingen wird die «Chäserei i der Vehfreud» als Singspiel auf die Bühne gebracht. Der Gotthelf-Roman ist auch heute noch aktuell. Die Bühnenfassung der «Chäserei i der Vehfreud» stammt aus der Feder von Ueli Bichsel und ist vom Regieteam Brigitte und Rolf Studer einfallsreich in Szene gesetzt worden. Ein Stück dieser Grösse zu realisieren, ist nur möglich, wenn sich wie in Deitingen drei Gruppen mit Engagement dafür einsetzen. Dazu gehört das Jodlerchörli, das in diesem Jahr sein 65-jähriges Bestehen feiert und an das vor 15 Jahren aufgeführte Singspiel «Dr Schacherseppli» anknüpfen möchte. Mit dabei ist zudem die Theatergruppe «Lampe-Fieber Deitingen », die man aus Abendunterhaltungen und ihren Märchentheateraufführungen kennt. Als Dritte im Bunde ist die «Theatergruppe Team 72 Deitingen », die 1972 – als auf vielen Feldern aktive, im Dorfleben wirksame Vereinigung – von den beiden Kirchen gegründet wurde. Durch diesen Zusammenschluss darf sich das Publikum auf 32 Schauspielerinnen und Schauspieler sowie 22 Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Lilian von Rohr freuen. Die Stimmung unter allen Mitwirkenden war an der besuchten Probe heiter und entspannt. Diesen Willen zur Zusammenarbeit in Vorbereitung grosser Anlässe kennzeichnet OK-Präsident Rolf Studer mit: «Deitingen ist darin einfach genial.» Ein typisches Werk von Gotthelf Vehfreude ist ein fiktives Dorf irgendwo in einem verschlafenen Emmentaler Winkel, das, statt ein neues Schulhaus für die Bildung zu bauen, vom Reichwerden träumt. Sein Kapital sind Kühe und deren Milch. Die Einwohner haben miterlebt, dass Dörfer in ihrer Nachbarschaf tmit dem Bau einer neuen, modernen Käserei plötzlich finanziell deutlich bessergestellt waren. Das lässt die in der Milchwirtschaft tonangebenden Männer nicht ruhen. Der Einbruch der Moderne ist ersichtlich im aufziehenden Kapitalismus zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Zum Verhängnis wird den Bauern aber, dass sie ihre schöne fette Kuhmilch mit Wasser panschen und strecken, was der Qualität des Käses nicht zuträglich ist. Dies wird sofort vom «Käsherr » und von den Käsehändlern, die sich weigern, die Laibe zu kaufen, erkannt und führt zu aufregenden Diskussionen. Ein unbedachtes Wort endet gleich in einer zünftigen Schlägerei. Pfarrer und Schriftsteller Gotthelf schuf seine Dialoge mit psychologischer Kenntnis des menschlichen Wesens, das er in all seinen als Bildungsromane angelegten Werken auf den rechten Weg führen wollte. Dazu passt hier auch, dass die Liebelei zwischen Felix, dem Sohn eines Grossbauern, und Aenneli, die nicht aus der «besseren » Gesellschaftsschicht im Dorf stammt, Anlass zu viel Gerede gibt. Zumal Felix, der in der Kirche eingenickt ist, im Traum hörbar sagt: «Aenneli, gib mir es Müntschi.» Der Skandal ist perfekt: Was mag bei den beiden, deren Glück am Spielende aber vorgezeichnet ist, alles schon passiert sein?! Belastet wurde das Dorfleben zudem durch einen dramatischen Unfall mit einem Pferdefuhrwerk. Überzeugende Darsteller – samt Berner Sennenhund Besinnlichkeit erhält das Bühnengeschehen durch die thematisch klug und stimmungsvoll eingesetzten Jodellieder und durch die instrumentale Begleitung. Auch die ansprechende Bühnengestaltung mit typischen Holzhäusern und einem landschaftlich bildschön gemalten Hintergrund nimmt den Betrachter gefangen. Wichtig ist auch die sonore Erzählerstimme aus dem Off, die den Fortgang der Handlung sichert. Doch ganz besonders wissen die passend bekleideten Darstellerinnen und Darsteller zu überzeugen, die mit grosser Intensität und kraftvoller Sprache ihren Rollen eigenwillige, teils kämpferische, aber stets originelle Charaktere verleihen. Zur Bühnencrew zählen ausserdem ein Kind und ein gutmütig blickender Berner Sennenhund. Aufführungen in der Zweienhalle vom 5. bis zum 12. April, jeweils um 19.30 Uhr; Tickets über www.eventfrog.ch;